Gefälschter E-Mail-Ausdruck ist keine Urkundenfälschung

» OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.09.2020 - 1 Rv 34 Ss 533/20 «

Kurzzusammenfassung

Der Mandant war durch das Amtsgericht wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt worden, da er dem mit der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung gegen ihn beauftragten Rechtspfleger des Amtsgerichts den Ausdruck einer angeblichen E-Mail seiner Bankbearaterin vorgelegt hatte, in der diese bestätigte, dass er seine Schulden bereits beglichen habe. Die Bankberaterin hatte eine solche E-Mail indes nie verfasst.

Das Amtsgericht wertete den Ausdruck der (fiktiven) E-Mail rechtlich als strafbare Urkundenfälschung. Hiergegen richtete sich unsere Sprungrevision, da eine auf Papier ausgedruckte E-Mail keine Urkundsqualität im Sinne des § 267 StGB besitzt. Da der Mandant in der Verhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hatte, konnte auch nicht geklärt werden, wie das Papierdokument tatsächlich erstellt worden war. Das Oberlandesgericht sprach unseren Mandanten auf unsere Revision hin frei.

Relevant ist die Entscheidung auch im Hinblick darauf, dass der Mandant sich auch nicht wegen Betrugs gegenüber der Gläubigerin strafbar gemacht hatte, da seine Täuschung nicht zu einer Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinne führen sollte, sondern er lediglich Zeit gewinnen wollte, um das Geld zu beschaffen.


Volltext der Entscheidung


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
1. Strafsenat

Beschluss

Strafsache gegen
███████ █████████
wegen Urkundenfälschung
hier: Revision des Angeklagten

Beschluss vom 15. September 2020

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Bretten vom 25. Mai 2020 (2 Ds 280 Js 23696/19) aufgehoben und der Angeklagte freigesprochen.

2. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

GRÜNDE:

I.

Durch Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter- Bretten vom 25.02.2020 wurde der Angeklagte kostenpflichtig wegen Urkundenfälschung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Leonberg vom 17.02.2020 (3 Ds 167 Js 17280/19) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Angeklagten liegt insoweit zur Last, er habe - in Kenntnis der wahren Umstände - um eine erfolgte Zahlung vorzutäuschen in einem Zwangsvollstreckungsverfahren am 07.05.2019 gegenüber dem Vollstreckungsgericht den vorgeblichen Ausdruck einer E-Mail seiner Bankberaterin mit auf unbekannte Weise verändertem Datum und Betreff vorgelegt, wobei der Ausdruck der E-Mail den "Eindruck, dass ein unmittelbarer Ausdruck dieser Nachricht vorliege, der einen Original-Datensatz wiedergeben sollte“, erweckt habe. Es sei ihm darum gegangen, nach einer verweigerten Abgabe einer Vermögensauskunft den Erlass eines Haftbefehls nach § 802g ZPO vorläufig abzuwenden und Zeit zu gewinnen, um den notwendigen Betrag zu beschaffen. Die Zahlung sei am 24.05.2019 an den Gerichtsvollzieher erfolgt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Sprungrevision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils und zum Freispruch des Angeklagten (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1 StPO).

1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB nicht.

Das Amtsgericht führt insoweit aus, dass es sich beim Ausdruck einer E-Mail nicht um· eine als solche ohne weiteres erkennbare Fotokopie handelte, die im Rechtsverkehr nicht den Anspruch auf Authentizität beanspruche, sondern geeignet sei, über den Inhalt der Erklärung Beweis zu führen. Der Schutzzweck der Norm gebiete es, dass der Rechtsverkehr auch vor dem Gebrauch verfälschter Ausdrucke von E-Mails hinreichend geschützt werden müsse.

Dem kann nicht zugestimmt werden. Zwar kann im Wege computertechnischer Maßnahmen wie der Veränderung eingescannter Dokumente grundsätzlich eine unechte Urkunde hergestellt werden, jedoch muss die Reproduktion den Anschein einer von einem bestimmten Aussteller herrührenden Gedankenäußerung vermitteln, also einer Originalurkunde so ähnlich sein, dass die Möglichkeit einer Verwechslung nicht ausgeschlossen werden kann (BGH Beschl. v. 27.01.2010 - 5 StR 488/09, BeckRS 2010, 4085). Dies ist ebenso wie beim Ausdruck einer Computerdatei (BGH, a.a.O.) auch beim Abdruck einer E-Mail nicht der Fall - auch dann nicht, wenn der Eindruck besteht, dass es sich um einen unmittelbaren Abdruck der Daten handelt.

Soweit das Amtsgericht in seiner Entscheidung auf einen Beschluss des 4. Strafsenats des BGH vom 23.05.2017 (4 StR 141/17, BeckRS 2017, 113600) Bezug nimmt, ist diesem nicht zu entnehmen, dass das festgestellte Verhalten des Angeklagten den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllen würde. Dort wurde für den Fall der Übermittlung einer gefälschten/verfälschten Zusage per E-Mail eine mögliche Strafbarkeit nach § 269 StGB gesehen. Zur Frage des Ausdrucks einer gefälschten/verfälschten Datei verhält sich die Entscheidung nicht. Vielmehr geht auch der 4. Strafsenat des BGH, wie eine nachfolgende Entscheidung zeigt (Beschl. v. 19.06.2018 - 4 StR 484/17, BeckRS 2018, 16018), davon aus, dass auch im Falle Verwendung einer digitalen Kopie vorauszusetzen ist, dass der digitalen Kopie eine unechte oder verfälschte Urkunde im Sinne de§ 267 Abs. 1 StGB, also eine verkörperte Gedankenerklärung, zu Grunde liegen muss.

2. Die Feststellungen würden auch keine Verurteilung wegen Fälschung beweiserheblicher Daten nach § 269 Abs. 1 StGB tragen.

Möglich ist, dass gespeicherte oder veränderte beweiserhebliche Daten, die bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde darstellen würden, im Sinne dieser Vorschrift auch durch Verwenden eines Ausdrucks gebraucht werden können (BeckOK StGB/Weidemann, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 269 Rn. 11; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB § 269 Rn. 21; Lackner/Kühl/Heger, 29. Aufl. 2018, StGB § 269 Rn. 10). Dies entspricht einer konsequenten Übertragung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Urkundenfälschung, nach der der Tatbestand der Urkundenfälschung in der Variante des Gebrauchmachens gemäß § 267 Abs. 1, Var. 3 StGB verwirklicht werden kann, sofern die Kopie einer unechten oder verfälschten Urkunde zur Täuschung über beweiserhebliche Umstände im Rechtsverkehr verwendet, mithin von der Urschrift Gebrauch gemacht wird (vgl. BGH, Urt. v. 23.09.2015 - 2 StR 434/14, BeckRS 2016, 1201 Rn. 37, m.w.N.; soweit dagegen teilweise gefordert wird, es müsse eine eigenständige Zugriffsmöglichkeit auf die Daten selbst eröffnet werden, so dass die Wiedergabe von Daten auf einem Bildschirm oder einem Ausdruck für ein Gebrauchen nicht genüge, so MüKoStGB/Erb, 3. Aufl. 2019, StGB § 269 Rn. 39-41, ist dies lediglich Ausfluss einer generellen Ablehnung dieser Rechtsprechung zu § 267 StGB). Mit Blick auf die fehlende Strafbarkeit in Fällen der Collage im Rahmen des § 267 StGB (vgl. BGH, Beschl. v. 26.02.2003 - 2 StR 411/02, NStZ 2003, 543) wären insoweit jedoch Feststellungen dazu erforderlich, wie das vorgelegte Dokument genau hergestellt wurde, also wie Datum und Betreff ausgetauscht wurden. Bei einer eingescannten und wieder ausgedruckten Collage, wäre nämlich eine Strafbarkeit sowohl nach § 267 StGB als auch nach § 269 StGB zu verneinen (OLG Hamburg, Beschl. v. 07.08.2018 - 2 Rev 74/18, BeckRS 2018, 18084).

3. Eine Strafbarkeit wegen Vereitelung der Zwangsvollstreckung nach § 288 StGB kommt mangels festgestellten Veräußern oder Beiseiteschaffen von Vermögen in der Absicht der Gläubigerbenachteiligung nicht in Betracht.

4. Gleiches gilt für eine Strafbarkeit wegen (versuchten) Betrugs nach § 263 StGB. Zwar kann in der Vorlage des Ausdrucks ohne weiteres eine Täuschung über Tatsachen gesehen werden, durch die Irrtum des Insolvenzgerichts über eine vermeintlich vorgenommene Buchung hervorgerufen werden sollte. Dies sollte nach Sachlage aber nicht zu einer unmittelbaren Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinn (vgl. BeckOK StGB/Beukelmann, 46. Ed. 1.5.2020, StGB § 263) bei der Gläubigerin führen, sondern den Erlass eines Haftbefehls hinauszögern, um das Geld zu beschaffen.

5. Mit Blick darauf, dass der Angeklagte keine Angaben zur Sache gemacht hat und weitere Erkenntnismöglichkeiten zur Herstellung des Ausdrucks nicht erkenn­bar sind, geht der Senat in Übereinstimmung mit der Generalstaatsanwalt­schaft davon aus, dass auszuschließen ist, dass eine neue· Hauptverhandlung zu neuen, eine Verurteilung tragenden Erkenntnissen führen würde.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus§ 467 Abs. 1 StPO.

Unterschriften