Gewerbsmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

» OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.07.2019 - 1 Rv 11 Ss 399/19 «

Kurzzusammenfassung

Der Mandant war vom Amtsgericht wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden. Dabei hatte das Gericht unter anderem angenommen, dass der Angeklagte gewerbsmäßig mit Betäubungsmitteln gehandelt hatte, obwohl es nur um relativ kleine Mengen Marihuana ging, er keine nennenswerte Einnahmen damit erzielt hatte und auch kein Wirkstoffgutachten eingeholt worden war.

Obwohl das Amtsgericht die Strafe zur Bewährung aussetzte, war die eigentliche Strafe für den hier gegenständlichen Vorwurf deutlich überzogen und mit der vom Amtsgericht gegebenen Begründung nicht zu halten. Auf unsere Sprungrevision hin hob das Oberlandesgericht Karlsruhe das Urteil auf. Das Amtsgericht muss jetzt über den Fall neu entscheiden und wird dabei die Überlegungen des Oberlandesgerichts zu berücksichten haben.


Volltext der Entscheidung


OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
1. Strafsenat

Beschluss

Strafsache gegen
███████ █████████
aus █████████
wegen Verstößen gegen das BtmG
hier: Revision des Angeklagten

Das Oberlandesgericht Karlsruhe - 1. Strafsenat - hat durch die unterzeichnenden Richter am 11. Juli 2019 beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Breiten vom 12. Februar 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Breiten zurückverwiesen.

GRÜNDE:

I.

Das Amtsgericht Breiten verurteilte den Angeklagten am 12.02.2019 wegen „unerlaubten, gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier tatmehrheitlichen Fällen sowie hierzu in Tatmehrheit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln" zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, die er auf die Verletzung sachlichen Rechtsstützt. Sein Rechtmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Verurteilung des Angeklagten hat keinen Bestand, da die Feststellungen lückenhaft sind und auch die Strafzumessung Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist.

II.

Die Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht.

1. Taten unter II.1. (Fälle 1 bis 4):

Zwar kann den Feststellungen unter Einbeziehung der insoweit konkretisierenden Ausführungen zur Beweiswürdigung (III.1.) noch entnommen werden, dass das Amtsgericht von vier Verkaufsgeschäften zwischen dem Angeklagten und ███████ █████████ ausgeht und der Angeklagte vorgefasster Absicht entsprechend aus den erworbenen Mengen in 6 bis 7 (also mindestens 6) Fällen Marihuana an ███████ █████████ weiterverkauft hat, doch fehlen neben Feststellung zu den näheren Umständen der Kauf- und Verkaufsgeschäfte und zum Tatort der Ankäufe - worauf auch die Verteidigung in ihrer Revisionsbegründung und die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht hinweisen - ggfls. im Wege der Schätzung zu treffende Feststellungen zu den erworbenen, weiterverkauften und dem Eigenkonsum dienenden (Mindest-)mengen und zu deren THC-Wirkstoffgehalt. Die Generalstaatsanwaltschaft führt hierzu in ihrer Antragsschrift vom 31.05.2019 unter III. 2.b. Folgendes zutreffend aus:

Darüber hinaus hätte die Verurteilung wegen vier Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln einer notfalls im Wege der Schätzung zu ermittelnden Feststellung beruft, in welchem Umfang die angekauften Betäubungsmittel dem Eigenkonsum dienten und zu welchen Anteilen der Angeklagte einen gewinnbringenden Weiterverkauf bezweckte (BGH, Beschluss vom 12.09.2018, 5 StR 400/18, BeckRS 2018, 23235; BGH Beschluss vom 18.07.2000, 4 StR 258/00, BeckRS 2000, 30122900). Dies gilt insbesondere, da das Gericht bereits zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten festgestellt hat, dass dieser im Zeitraum zwischen zwei bis drei Gramm Marihuana täglich konsumiert habe und damit ein erheblicher Eigenbedarf nahe lag. Das Gericht hat im Urteil lediglich einen Ankauf der näher bezeichneten Mengen vom gesondert Verfolgten █████████ „zum Zwecke des Weiterverkaufs und des Eigenkonsums" (UA S. 3) festgestellt, jedoch keine, auch nur ansatzweise anteilsmäßige Bewertung oder Schätzung der für den Eigenkonsum bestimmten Teilmenge vorgenommen. Ebenso fehlen Ausführungen zum Wirkstoffgehalt des gehandelten Betäubungsmittels. Steht das Betäubungsmittel - wie hier- für eine Analyse nicht mehr zur Verfügung, muss das Gericht unter Heranziehung anderer sicher festgestellter Umstände, notfalls unter Wendung des Zweifelsgrundsatzes, eine SchätzSung der Wirkstoffmenge vornehmen (OLG Bamberg, Beschluss vom 21.03.2017, BeckRS 2017, 106534), da der Wirkstoffgehalt des gehandelten Betäubungsmittels einen maßgeblichen Strafzumessungsgrund darstellt. Entbehrlich ist eine solche Bewertung allenfalls im Fall von Kleinstmengen (OLG Celle, Beschluss vom 25.09.2017, BeckRS 2017, 132556), weshalb für getroffene Feststellungen unter II. Ziff. 5 für die am 23.07.2017 im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen Kleinmengen an Betäubungsmitteln nicht zu beanstanden sind. Im Hinblick auf den Schuldumfang sowie auf die im Rahmen der Strafzumessung vorzunehmende Bewertung der Frage der Gewerbsmäßigkeit nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG sind die getroffenen Feststellungen für die vier abgeurteilten Taten des unerlaubten Handeltreibens daher lückenhaft und bieten keine hinreichende Grundiage für die Rechtsfolgenentscheidung.

2. Tat unter II.2. (Fall 5):

Im Hinblick auf die Lücken bei den Feststellungen zu den Fällen 1 bis 4 kann der Senat nicht ausschließen, dass im Fall 5 ungeprüft blieb, ob es sich bei den am 23.07.2017 in seiner Wohnung vom Angeklagten aufbewahrten 3,2 Gramm Marihuana um eine - einer gesonderten Verurteilung nicht zugänglichen - Restmenge aus einem Ankauf von █████████ handelt (Fälle 1 bis 4). Dies liegt nicht fern, da der Angeklagte nach den Feststellungen bis zu diesem Tag von █████████ Marihuana auch zum Eigenkonsum erworben hatte und sich den Feststellungen nicht entnehmen lässt, dass der Angeklagte noch über andere Bezugsquellen verfügte.

Das angefochtene Urteil, welches auf diesen Fehlern nicht ausschließbar auch beruht, war daher insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bretten zurückzuverweisen ist (§§ 349 Abs. 4 StPO).

IV.

Auch der Strafausspruch leidet hinsichtlich aller abgeurteilten Taten und im Gesamtstrafenausspruch an durchgreifenden, den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehlern, auf welchen das Urteil nicht ausschließbar beruht. Die Generalstaatsanwaltschaft führt hierzu in ihrer Antragsschrift vom 31.05.2019 unter III. 2.b. zutreffend Folgendes aus:

Das Urteil genügt hier insbesondere nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 3 StPO.

a. Die Annahme der Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG als reine Strafzumessungsvorschrift setzt entsprechende Feststellungen im Urteil voraus, etwa zu Einzelheiten der Vorgehensweise des Täters, zu Begleitumständen bei Anbahnung und konkreter Abwicklung des Verkaufsvorgangs, zu Verkaufsbemühungen in der Folgezeit (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9.A. 2019, § 29 Rn. 12 m.w.N.). Ob nach den Feststellungen einer gewerbsmäßigen Begehungsweise ein besonders schwerer Fall mit einer hier deutlich erhöhten Mindeststrafe anzunehmen ist, bedarf einer Abwägung für jeden abgeurteilten Einzelfall im Rahmen einer begründeten Gesamtabwägung (BGH, Beschluss vom 278.05.2015, BeckRS 2015, 11903)). Dem wird das Urteil nicht gerecht, da sich die Feststellungen zum Tatgeschehen (UA S. 3, 4) lediglich auf die Darstellung beschränken, der Angeklagte habe durch die näher bezeichneten vier Ankaufshandlungen beabsichtigt, "sich eine Einnahmequelle von gewisser Dauer und einigem Umfang zu verschaffen". Eine auf die Einzeltaten bezogene Begründung der Annahme des besonders schweren Falls der Gewerbsmäßigkeit nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG enthält das Urteil nicht, weder in der Strafzumessung, noch an anderer Stelle der Urteilsgründe. Die knappe Darstellung der Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit bei den Feststellungen zur Sache sowie die fehlerhafte Tenorierung des Schuldspruchs als „unerlaubtes, gewerbsmäßiges Handeltreiben" legt nahe, dass das Gericht hier zu Unrecht von einer Qualifikation und nicht von einem im Einzelfall zu begründenden besonders schweren Fall als rein strafzumessungsrelevantes Regelbeispiel ausgegangen ist. Dafür spricht auch die fehlerhafte Anwendung des in der Sache nicht zu beanstandenden Strafmilderungsgrundes des § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG. Zwar ist es bei der Anwendung vertypter Milderungsgründe grundsätzlich zulässig, eine Strafrahmenmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB auf den besonders schweren Fall vorzunehmen, wenn nicht bereits der Milderungsgrund gegen die Annahme des Regelbeispiels spricht (BeckOK, BtMG, Bohnen/Schmidt, 2. Ed., § 29 Abs. 3 Rn. 15). Eine solche Abwägung bedarf jedoch einer Darstellung in den Urteilsgründen, an der es vorliegend vollständig mangelt.

b. Für den weiteren abgeurteilten Fall des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln fehlt es im Urteil zudem sowohl an einer abstrakten Bestimmung des Strafrahmens, der hier § 29 Abs. 1 StGB zu entnehmen gewesen wäre, wie auch an einer nachvollziehbaren Begründung zur Bemessung der Einzelstrafe. Da es sich ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 4) lediglich um eine geringe Menge von 3,2 Gramm Marihuana handelt, deren Wirkstoffgehalt zudem unbestimmt geblieben ist, sowie um „33 zum Anbau gedachte Cannabissamen" und zwei Stecklinge von Marihauanapflanzen, hätte die Annahme einer kurzen Einzelfreiheitstrafe nach § 47 Abs. 1 StGB zumindest einer knappen Begründung bedurft (so auch ausdrücklich § 267 As. 3 S. 2 2. Hs. StPO).

Dem ist ergänzend Folgendes hinzuzufügen: Der neue Tatrichter wird auch in den Fällen 1 bis 4, sollte er die Verhängung einer sog. kurzen Freiheitsstrafe (§ 47 StGB) in Erwägung ziehen, darzulegen haben, aufgrund welcher Umstände die Verhängung einer Geldstrafe nicht ausreicht (§ 267 Abs. 3 S. 2 StPO). Auch darf sich die Begründung zur Gesamtstrafe - worauf die Revision zu Recht hinweist - nicht in der Mitteilung erschöpfen, dass diese aus den Einzelstrafen „gebildet" wurde. Die Bemessung der Gesamtstrafe ist ein eigenständiger Strafzumessungsakt, der an gesamtstrafenspezifischen Kriterien auszurichten ist und eine zusammenfassende Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten erfordert und gesonderter Begründung bedarf (stRspr; grundlegend BGHSt 24, 268 (270)). Eine eingehende Begründung der Gesamtstrafe als Grundlage für die sachlich rechtliche Nachprüfung durch das Revisionsgericht ist regelmäßig erforderlich, wenn sie sich - wie vorliegend - der durch § 54 Abs. 2 StGB bestimmten Obergrenze des Strafrahmens annähert und sich die Gründe hierfür nicht von selbst aus den Feststellungen ergeben (BGH NStZ-RR 2018, 171; KK-StPO/Kuckein/Bartel StPO § 267 Rn. 28).