Fehlender Besitzwille und Strafklageverbrauch bei KiPo

» AG Pforzheim, Urteil vom 14.09.2023 - 2 Ls 33 Js 3824/22 «

Kurzzusammenfassung

Bei einer Hausdurchsuchung wurde beim Mandanten in einer Schublade ein USB-Stick aufgefunden, auf dem sich 17 teils schwerste kinderpornografische Videodateien befanden. Die Staatsanwaltschaft erhob in der Folge Anklage wegen Verstoßes gegen § 184b StGB (Besitz kinderpornografischer Inhalte) zum Schöffengericht. In diesem Stadium wandte sich der Mandant dann an unsere Kanzlei. Der Mandant war bereits im Jahr 2016 wegen eines vergleichbaren Delikts verurteilt worden. Auch damals hatte es eine Hausdurchsuchung gegeben, bei der diverse Datenträger mit kinderpornografischem Material sichergestellt worden waren. Entsprechend befürchtete er eine Haftstrafe ohne Bewährung.

Der Mandant räumte in der Hauptverhandlung ein, dass er die illegalen Dateien aus dem Internet heruntergeladen habe. Er habe jedoch nicht mehr gewusst, sich überhaupt noch im Besitz dieses USB-Sticks befunden zu haben. Die Dateien habe er in den Jahren 2014/2015 heruntergeladen und seinerzeit auf dem USB-Stick gespeichert. Er sei in der Folge davon ausgegangen, dass die Polizei auch diesen USB-Stick bereits bei der Durchsuchung im Jahr 2016 beschlagnahmt habe. Nacheingehender Überprüfung des konkreten Auffindeorts des USB-Sticks in der Wohnung des Mandanten im Rahmen der Hauptverhandlung schien dies tatsächlich durchaus möglich zu sein.

Was dem Fall dann die entscheidende Wendung gab: In der Hauptverhandlung gelang es uns, technisch nachzuweisen, dass der Zeitstempel "Letzter Zugriff" der Dateien auf dem USB-Stick seit dem Jahr 2015 nicht mehr aktualisiert worden waren, die Dateien also seither mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr geöffnet beziehungsweise betrachtet worden waren. Zwar sind auch derlei Metadaten mit entsprechenden IT-Wissen manipulierbar, aber über derlei Fachkenntnisse verfügte unser Mandant, der nicht einmal mehr einen PC oder Laptop besaß, offenkundig nicht. Für den strafbaren Besitz kinderpornografischer Inhalte im Jahr 2016 war der Mandant bereits einmal verurteilt worden. Insoweit war ein Strafklageverbrauch eingetreten.

Der vorliegende Fall zeigt deutlich, dass gerade beim Vorwurf eines Verstoßes gegen § 184b StGB für die Verteidigung nicht nur juristischer Sachverstand, sondern auch technisches Wissen notwendig ist. Nur über die IT-forensische Analyse der verfahrensgegenständlichen Videodateien war es möglich, einen - moralisch sicherlich schwer zu akzeptierenden, rechtlich aber zwingenden - Freispruch zu erzielen. Die bloße Behauptung, sich nicht mehr an die Dateien zu erinnern, wäre ohne dieses weitere technische Beweismittel vermutlich als klassische Schutzbehauptung gewertet worden.


Volltext der Entscheidung

Amtsgericht Pforzheim:

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Strafverfahren gegen

███████ █████████
geboren █████████, wohnhaft ██████████████████ ██████████████████

Verteidiger:
Rechtsanwalt Jürgen Just, Kriegsstraße 212, 76135 Karlsruhe

wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften

hat das Amtsgericht - Schöffengericht - Pforzheim hat in der Hauptverhandlung vom 14.09.2023, an der teilgenommen haben:

[Namen der Beteiligten]

für Recht erkannt:

1. Der Angeklagte wird freigesprochen.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 5 S. 2 StPO)

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Zweigstelle Pforzheim legte dem Angeklagten mit unverändert zugelassener Anklageschrift vom 03.02.2023 folgenden Sachverhalt mit der rechtlichen Bewertung als Besitz kinderpornografischer Inhalte gem. § 184 b Abs. 3 StGB zur Last:

„Anlässlich der Durchsuchung in der ████████████straße in ██████████████████ am 21.06.2022 zwischen 07.45 Uhr und 09.25 Uhr aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Pforzheim, 9 Gs 100/22 vom 17.05.2022 wurde unter anderem ein USB Stick (Asservat 1.4), welcher dem Angeklagten gehört, sichergestellt und beschlagnahmt. Auf dem USB Stick befanden sich siebzehn kinderpornograifsche Videodateien, was der Angeklagte wusste.

Die Dateien zeigen teilweise sexuellen Missbrauch von Kleinkindern, die Vornahme sexueller Handlungen an und von Kindern sowie die Zurschaustellung von Kindern in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung sowie Geschlechtsteilen in sexuell aufreizender Art und Weise und geben ein tatsächliches und wirklichkeitsnahes Geschehen wieder. Dem Angeklagten war dies aufgrund der Bilder ebenso bewusst wie das kindliche Alter der Darsteller.

Ferner war dem Angeklagten bewusst, dass die Dateilnhalte ohne die Vermittlung weiterer gedanklicher Inhalte nur auf eine sexuelle Stimulation des Betrachters abzielten.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Dateien auf dem USB-Stick (Asservat 1.4):

[Detaillierte Beschreibung des Inhalts der 17 kinderpornografischen Videodateien]

Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, er habe die auf den USB-Stick befinden Dateien bereits im Jahre 2014/2015 heruntergeladen und nicht mehr benutzt. Er sei davon ausgegangen, dass der Stick bei der Durchsuchung im Ermittlungsverfahren 92 Js 1437/16 sichergestellt und mitgenommen wurde und habe nicht gewusst, dass sich der Stick noch in seiner Schublade befindet.

Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der USB-Stick tatsächlich bei der Durchsuchung übersehen worden sein könnte und diese Dateien nach dem Jahre 2015 jedenfalls nicht mehr bearbeitet wurden.

Es lässt sich daher nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Angeklagte die inkrimierten Dateien nach der Durchsuchung noch wissentlich im Besitz hatte.

In dem genannten vorausgegangenem Verfahren erging am 29.04.2016 ein seit 18.05.2016 rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts Maulbronn (1 Cs 92 Js 1437/16) wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften; weitere Tathandlungen, insbesondere der Besitz kinderpomografischer Inhalte, wurden zuvor durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe - Zweigstelle Pforzheim - vom 14.04.2016 gem. §§ 154, 154 a StPO von der weiteren Verfolgung ausgenommen.

Damit ist hinsichtlich des früheren Besitzes der Dateien Strafklageverbrauch eingetreten und der Angeklagte aus rechtlichen Gründen freizusprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.

W.
Direktor des Amtsgerichts