Vorsatz bei KiPo-Dateien im Browser-Cache
» AG Pforzheim, Beschluss vom 27.03.2023 - 2 Ls 31 Js 24/22 «
Kurzzusammenfassung
Im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens war das Handy des Mandanten gespiegelt und ihm wieder zurückgegeben worden. Bei der späteren Auswertung der Datensicherung wurden rund 20 jungend- und kinderpronografische Bilddateien aufgefunden, die sich jedoch allesamt im Cache des auf dem Handy installierten Webbrowsers befanden. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte darauf hin das Handy erneut. Bei der dann folgenden zweiten Auswertung fand man nur noch etwa die Hälfte der Bilder, jedoch befanden sich diese weiterhin im Browsercache. Die Staatsanwaltschaft unterstellte unserem Mandanten, dass er illegale Webseiten angesurft hatte und die Dateien hierbei in den Zwischenspeicher des Browsers gelangt waren. Als er das Handy nach der ersten Durchsuchung zurückerlangt hatte, habe er einige Bilder aus dem Cache des Browesers gelöscht, was seine Schuld beweise. Entsprechend klagte sie unseren Mandanten beim Schöffengericht wegen eines Verstoßes gegen § 184b StGB an (Mindestfreiheitsstrafe 1 Jahr).
Gegen die Anklage der Staatsanwaltschaft erhoben wir im Zwischenverfahren umfassend schriftsätzliche Einwendungen und beantragten, die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen. Das Amtsgericht Pforzheim schloss sich unserer Argumentation vollumfänglich an und lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab.
Volltext der Entscheidung
Amtsgericht Pforzheim
Beschluss
In dem Strafverfahren gegen
███████ █████████
geboren █████████, wohnhaft ██████████████████ ██████████████████
Verteidiger:
Rechtsanwalt Jürgen Just, Kriegsstraße 212, 76135 Karlsruhe
wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften
hat das Amtsgericht Pforzheim durch den Richter am Amtsgericht W. am 27.03.2023 beschlossen:
1. Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
Es besteht kein hinreichender Tatverdacht. Zwar ist der objektive Tatbestand des Besitzes kinderpornografischer Inhalte gemäß § 184b StGB erfüllt, wenn sich entsprechende Dateien wie vorliegend im Browser-Cache des sichergestellten Mobiltelefons befunden haben. Allerdings ist nach aktuellem Verfahrensstand unwahrscheinlich, dass dem Angeschuldigten insoweit Vorsatz nachgewiesen werden kann ohne dass weitere Ermittlungsansätze ersichtlich wären.
Der Angeschuldigte lässt sich mittels Verteidigerschriftsatz vom 13.03.2023 im Wesentlichen dahingehend ein, er habe das Mobiltelefon gebraucht erworben, nie inkriminierte Dateien heruntergeladen oder einschlägige Webseiten aufgerufen und weder einzelne Dateien aus dem Browser-Cache gelöscht oder diesen „geleert". Dies lässt sich nicht widerlegen.
Auch wenn der Vortrag, das Mobiltelefon gebraucht erworben zu haben, bislang unsubstantiiert ist, ließe sich dieser ohne Weiteres derart ergänzen, dass er zwar plausibel erscheint aber nicht überprüft werden kann und folglich bei der Urteilsfindung - in dubio pro reo - als wahr unterstellt werden muss.
Hiervon ausgehend, könnte sich ein strafbares Verhalten daher allenfalls aus der späteren Bildung eines Vorsatzes zum Besitz der inkriminierten Dateien ergeben. Dafür müsste der Angeschuldigten zu irgendeinem Zeitpunkt des Besitzes zumindest einen bedingten (vgl. BGH 19.08.2015, 5 StR 275/15) Besitzwillen gebildet haben. Dafür gibt es allerdings keine hinreichen den Indizien, insbesondere wurden weder ein Vielzahl an Dateien an unterschiedlichen Speicherorten festgestellt noch kann ein Aufruf der Dateien aus dem Cache nachgewiesen werden. Selbst wenn im Rahmen der Beweisaufnahme ein späteres Löschen der Dateien durch den Angeschuldigten in der Zeit zwischen Rückgabe des Mobiltelefons und seiner erneuten Beschlagnahme mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könnte, würde dies nicht genügen, denn es könnte - auch wenn er sich bislang so nicht eingelassen hat - weder ausgeschlossen werden, dass der Angeschuldigte die Dateien erst nach Rückgabe des Mobiltelefons entdeckt, aufgerufen und dann sofort gelöscht hat (was straflos wäre: vgl. Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 184b Rn 39-41 m.w.N.) noch dass er den Cache „geleert“ hat ohne seinen Inhalt zur Kenntnis zu nehmen.
Die Eröffnung des Verfahrens war daher gem. § 204 Abs. 1 StPO aus tatsächlichen Gründen abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.
W.
Direktor des Amtsgerichts